Alles gut by Friedrich Ani

Autor:Friedrich Ani [Ani, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955201647
Herausgeber: dotbooks
veröffentlicht: 2013-03-31T04:00:00+00:00

And you snatch your rattling last breaths with deep-sea-diver sounds – and the flowers bloom like madness in the spring …

Die Zehner

Der Attentäter steht außerhalb des Gesetzes, er ist das Gesetz, das einzige, dem er sich unterwirft. Er ist Exekutive und Legislative in Person und sein Oberster Gerichtshof. Die Tat des Attentäters folgt der Logik eines Gottes, unbegreiflich für jeden Außenstehenden, jeden Zeugen, jeden Priester. Weil ich fähig bin, das Attentat zu planen, gelange ich in die Gefilde der Unsterblichkeit. In diesem ersten unwiederholbaren Moment begreife ich das Leben, sein Geschenk, seine Weisheit, seine Bedeutung und Erhabenheit. Das Leben ist mehr als Am-Leben-Sein, mehr als die Summe aller Atemzüge. Nicht mit meiner Geburt begann das Leben und nicht mit der Geburt meines Vaters oder meiner Mutter, es begann außerhalb der Zeit, außerhalb unserer Vorstellung. Es begann. Und von da an sind wir verpflichtet, ihm zu dienen, ohne zu fragen, untertänig, dankbar und mit aller Macht, die wir besitzen. Und der Tod ist nur ein Schatten, den wir überspringen müssen.

Furcht existiert nicht. Die Furcht ist die hurende Schwester des Aberglaubens. Aber ich glaube nicht. Ich bin das handelnde Wort. Was ich tue, tue ich nicht für mich, im Stillen, abseits jener, denen meine Tat gewidmet ist, denen ich vorausgehe, in deren Dienst ich stehe. Nur vor den Augen aller Sehenden und auch der Nichtsehenden, die abgeschottet im Dunkeln hausen – für diese sogar ganz besonders –, entfaltet meine Tat ihre Größe und Schönheit, um in der Erinnerung aller weiterzuleuchten als Vermächtnis und Auftrag.

Ein Attentat zu verüben heißt, einen Beitrag zu leisten zum Gedächtnis der Menschheit. Es ist etwas Unauslöschliches in dem, was ich vollbringe, wie ein ewiges Licht, jedes Kind, das auf die Welt kommt, trägt es schon in sich und muss lernen, dieses Licht zu erkennen und ihm zu folgen. So wie ich einem Licht aus früheren Zeiten folge, im Bewusstsein, es nicht erlöschen lassen zu dürfen, es zu bewahren, zu schützen, weiterzureichen. Ich bin ein Krieger des Lichts, meine Waffe ist der Wille und mein Sieg überragend.

Ein Jahr lang bereite ich mich vor. Ich konzentriere mich auf nichts anderes, jede Minute gilt dem Augenblick meines Triumphs. Es ist ein steiniger, grausamer Weg bis dorthin, und ich weiß, die Versuchung umzukehren, aufzugeben, zu warten, länger zu warten ist groß. Denn ich bin eine niedere Kreatur, ich bin voller Schmutz, ich trage die Abfälle von hundert Generationen in mir, ich bin nicht frei. Dass ich etwas will, sagt nichts über die Konsistenz meines Willens. Womöglich verliere ich nach einer Woche jede Zuversicht, und die Hämmer des Zweifels schlagen auf mein Herz ein und machen es klein und martern es, bis es wehleidig kapituliert.

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